So oder ähnlich sehen alle Politbüro-Häuser aus: solide Langeweile

Was tun an einem freien Tag als Berliner? Spazieren Sie doch durch die Waldsiedlung Wandlitz und schauen Sie beim Politbüro vorbei.

Es war ein großer Aufreger im November 1989, der Besuch des Jugendfernsehens Elf99 in der Waldsiedlung Wandlitz. Dort, rund 40 Kilometer vom Zentrum Berlins und dem Zentralkomitee entfernt, wohnten seit 1960 in einem abgeschirmten Gebiet die Mitglieder und Kandidaten des höchsten SED-Gremiums Politbüro. Entgegen der Fama war der Elf99-Besuch ein offizieller Pressetermin und kein investigativer Überfall. Dennoch schlug die Reportage „Einzug in das Paradies“ (als Titel wohl eine Anspielung auf den Roman und die Fernsehserie rund um DDR-Neubauten “Einzug ins Paradies”) so hohe Wellen, dass fast der nahe Liepnitzsee überlief und das Politbüro in den Orkus der Geschichte gespült wurde. Die führenden Genossen lebten in Einfamilienhäusern! Es gab ein Schwimmbad!! Und im Laden Waren aus dem Westen!!! Laut späterem Bekunden war Reporter Jan Carpentier die Schnüffelei mancher seiner mit angereisten Journalistenkollegen so peinlich, dass er mit seinem Kamerateam lieber nach draußen ging. Und dort per Zufall den Ex-Chefideologen Kurt Hager traf, der gerade mit seiner Frau spazieren war. Ein freundliches älteres Pärchen oder die Banalität des Bösen?

Bald stand das Volk an, um den entmachteten alten Männern aufs Kopfkissen zu spucken (ein Kommentar des angewiderten Gerhard Gundermann). Die Modrow-Regierung schickte das Politbüro fort, das Gelände wurde großzügig bebaut. Heute befinden sich dort Klinikgebäude und eine Seniorenresidenz. Die Politbüro-Häuser stehen unter Denkmalschutz, sind aber nur von außen zu besichtigen. Vor einigen informiert eine Stele über frühere Bewohner. Per QR-Code gelangt der Betrachter dann auch auf eine Website mit weiteren Informationen. Beim Schlendern über das Gelände freut sich der Flaneur über die neue Nutzung der Siedlung und darüber, dass die Revolution von 1989 eine weitgehend friedliche geblieben ist. Zu danken ist das nicht nur den Ordnern mit ihren gelben Schärpen „Keine Gewalt“, sondern sicherlich auch dem einen oder anderen Bewohner der Waldsiedlung.

Entgegen dem bekannten Namen gehört die Siedlung übrigens nicht zu Wandlitz, sondern zu Bernau. „Bernau“ und „Brandenburg-Klinik“ sind geeignete Suchworte für Ihr Navi. Gut parken können Sie auf dem abgeteilten Parkplatz längs der Bundesstraße 273. Und wenn Sie schon in der Gegend sind: Umrunden sie doch gleich noch den Liepnitzsee – knapp neun Kilometer, die sich lohnen.

 

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