- Welche Begriffe verbinden Sie spontan mit der DDR?
Brigade, Kollektiv, Pionier, Gruppenratsvorsitzende, Mokkafix. - Woran erinnern Sie sich besonders gern?
An meine Kindheit auf dem Dorf mit den wunderbaren, liebevollen Menschen, die in unserem Haus wohnten und die ich Tante und Onkel nannte. Sie zogen mich eigentlich auf. An die Spaziergänge im Wald. Den Geruch frischer Kuchenbleche auf der Treppe. Den Sound der Russenkolonnen. - Woran denken Sie ungern zurück?
An manche Lehrer. An die Angst, was Falsches zu sagen in der Schule. Der dauernde Mangel an vielem. Die allgemeine Armut, die wir heute fast vergessen haben.
- Wie verlief Ihr Berufsweg?
Die Wende warf mich aus der Bahn, kam aber im Rückblick zur rechten Zeit. Ich hatte Glück. Mein Ost-Abi wurde anerkannt, wenn auch grummelnd (“Ihr 1,2-Schnitt ist nicht so viel wert bei uns”, sagte die Sachbearbeiterin der Uni Hamburg). Studium, Volontariat, Festanstellung, Auslandsaufenthalt, Bücher. - Was haben Sie in der Freizeit getan?
Wann? Zu DDR-Zeiten? Lesen, mit Freunden abhängen. - Wen aus der DDR verehren Sie besonders und wofür?
Maxie Wander, Brigitte Reimann, Christa Wolf. Ihre Bücher. Ihr Leben. Tolle Frauen. - Was hat Ihre DDR-Vita besonders geprägt?
Meine Eltern waren nicht in der Partei, lebten zurückgezogen vom Staat. Ich habe nie wirklich die DDR gemocht, gedanklich träumte ich mich weg. Aber ich habe da gelebt. Es hat mich geprägt, was meine Sicht auf Gleichberechtigung von Mann und Frau, soziale Unterschiede, Gerechtigkeit angeht. - War das Verhältnis von Männern und Frauen zueinander anders als heute?
1989 waren fast alle Frauen im Osten berufstätig. Frauen und Männer waren nicht wirklich gleichgestellt, was Spitzenposten und Aufteilung der Sorgearbeit angeht, aber ich glaube, Frauen waren selbstbewusster als heute.
- Welche Meinung hatten Sie 1990 zur Wiedervereinigung?
Ich war dagegen. Wahrscheinlich ein Fehler im Rückblick. Aber ich finde, es ist im Vereinigungsprozess versäumt worden, etwas Neues zu schaffen und auch auf die Erfahrungen des Ostens einzugehen.
- Welche Meinung haben Sie heute zum vereinten Deutschland?
Ich hadere viel mit dem Land, aber ich möchte grad nirgendwo anders leben.
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One Response to Sabine Rennefanz, 43, Journalistin und Autorin, Berlin
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Im Buch “Eisenkinder: die stille Wut der Wendegeneration” beschreibt Sabine Rennefanz ihre Kindheit und Jugend in Eisenhüttenstadt. Für journalistische Texte wurde sie mit dem Theodor-Wolff-Preis und dem Deutschen Reporterpreis geehrt.