Die Liebe zwischen Marta und Filip beginnt mit dem Tango Lied des Meeres und führt an einen See, der groß ist wie ein Meer. Endet sie auch dort? Oleg Serebrian beschwört eine Vergangenheit, deren Kultur und Vielfalt zerbrochen ist: “Tango in Czernowitz”.
Czernowitz liegt in der Bukowina, der Heimat der Buchenland-Deutschen. Wie auch von Rumänen, Ukrainern, Polen, Juden. Das Gebiet gehörte zu Österreich-Ungarn. Nach dem ersten Weltkrieg wurde es Rumänien zugeschlagen, nach dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt von der Sowjetunion besetzt, dann von Rumänien erobert, dann wieder von der Sowjetunion. Ein deutsch-sowjetisches Abkommen von 1940 zwang die Bukowina-Deutschen zur Umsiedlung “heim ins Reich”. Womit oft nur frisch enteignete Bauernhöfe im eroberten Polen gemeint waren. Die anschließende Besetzung der Bukowina durch die Sowjetunion hat Rumänien unter deutschem Druck geduldet. Nach der Rückeroberung durch Rumänien begannen Pogrome gegen Juden. Im Frühjahr 1944, zu Beginn des Romans, rücken erneut sowjetische Truppen heran.
Im Mittelpunkt des Geschehens stehen Filip und Marta Skawronski. Filip ist studierter Theologe und arbeitet als Erzpriester einer orthodoxen Kirche. Marta ist eine geborene von Randa. Martas Eltern, niederer rumänischer Adel, haben sich von ihr losgesagt, als sie unter Stand geheiratet hat. Die beiden haben eine vierjährige Tochter. Soll Filip alles verkaufen und mit seiner Familie emigrieren, wie sein Bruder Vlad es ihm empfiehlt? Vlad lebt in der Schweiz und könnte eine Auswanderung nach Paraguay oder Argentinien vermitteln. Oder kommt es doch nicht so schlimm wie befürchtet? Immerhin hat Filip einen Bruder in der sowjetischen Armee und bei früherer Gelegenheit mit dem NKWD kooperiert – wobei er darauf geachtet hat, Informationen nur über Leute weiterzugeben, die außer Reichweite der Geheimpolizei waren. Und seine Frau hat zwar neben den rumänischen auch deutsche Wurzeln und einen Bruder bei der Wehrmacht, aber sie hat auch eine Jüdin in Anstellung genommen und dadurch geschützt. Zusätzlich kompliziert wird die Entscheidung durch die innere Balance der Ehe. Marta liebt Filip, stichelt aus einem Rest von Adelsstolz aber gegen ihn und seine von ihr als minderwertig empfundene Bildung.
Serebrian ist Diplomat. Unter anderem war er der Botschafter Moldaus in Deutschland. Entsprechend ausgewogen schreibt er. Neben Marta und Filip bezieht er auch deren Familien, Freunde und Bekannte ein und lotet auf diese Weise die vielfältigen Beweggründe aus für Tun und Unterlassen. Fußnoten erläutern Geschehnisse und Orte, wo es hilfreich ist. So schafft Serebrian ein Panorama, in dem die Figuren sich abmühen in der Sehnsucht nach Leichtigkeit und Geltung, in dem sie reden und strampeln, helfen und versagen, treu bleiben oder denunzieren.
Auch wenn es ein Phantomschmerz ist: Leser werden das Czernowitz vermissen, wie es existiert hat, bevor Deutschland seinen Krieg begann. Für die Bukowiner sind die Schmerzen und Verluste kein Phantom, sondern real.
Das Buch ist im Morio-Verlag erschienen, hat 404 Seiten und kostet 30 Euro. Die Übersetzung stammt von Anke Pfeifer.
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