An meiner Wand hängt seit Kurzem dieses Bild: Warschauer Straße. Acryl auf Leinwand, 100 x 100 cm, gemalt von Sophie Mangelsen. Großstadt-Chaos, mal hell, mal düster. Die Warschauer und ich haben eine persönliche Geschichte.
In der Warschauer bin ich im September 89 meine ersten beruflichen Schritte gestakst. Dort hatte die Konsularabteilung des DDR-Außenministeriums ihren Sitz. Wo ich, frisch von der Uni, mit Visa und Rechtshilfe hantierte, diplomatische Noten las und schrieb. Studiert hatte ich in Moskau, Internationale Beziehungen. Kein Studium, für das man sich bewerben konnte. Man wurde von seiner Schule vorgeschlagen und schlug sich dann in Prüfungen zur Zulassung durch.
Ab November 89 war die Warschauer Straße nicht mehr nur Arbeitsort. Sondern dort ging’s über die Oberbaumbrücke auch rüber nach Westberlin. Die offenen Grenzen nutzten viele Ostler dazu, sich dauerhaft im Westen mit echtem Westgeld bezahlte Arbeit zu suchen. Die Lücken wurden mit Leuten aus den Ministerien gestopft. Ich half im Winter zwei Wochen in der Mühlenstraße, am Ende der Warschauer nach rechts, Mehl in Säcke abzufüllen und Berlin dadurch vorm Hungertod zu bewahren. Durch Visafreiheit mit immer mehr Ländern gab’s ja im Hauptberuf auch weniger zu tun. Einen Kollegen verschlug es in eine Brauerei. Wo ihm jemand einen Galgen an den Spind pinselte, das Bier aber auch durch seinen Einsatz weiter fließen konnte in die durstigen, heiser gebrüllten Kehlen Ostberlins.
1990 dann erklärte das Auswärtige Amt seine Berufskollegen aus dem Osten zur Persona non grata; schon vorher war unter Außenminister Meckel die Atmosphäre frostig geworden.
Damit war es erst mal vorbei mit mir und der Warschauer. In einem Zustand momentaner Verwirrtheit ließ ich mir in einer Umschulung erklären, dass Kapital durch Konsumverzicht entsteht und wie man ein guter Euro-Assistent für Bürokommunikation wird. Dann bin ich über den Journalismus visafrei in die PR eingewandert.
An diese verschlungenen Wege denke ich oft, wenn ich an der Warschauer vorbeifahre, die schnurgerade Frankfurter und Karl-Marx-Allee entlang auf dem Weg zur Volksbühne oder sonst wohin.
Und jetzt auch beim Betrachten des Gemäldes. Vergangenheit, geronnen zu feinen Pinselstrichen. Meine ganz persönliche Warschawjanka.
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