Wie wird man zum Zyniker? Man fängt als Weltverbesserer an. Metropolis ist der 14. Roman der Hard-boiled-Serie Philip Kerrs um Bernhard Gunther. Und zeigt den Berliner Ermittler am Anfang seiner Laufbahn.
Wie immer bei Bernie erwarten den Leser Spannung, Sprüche und Moral. 1928 ist Bernhard Gunther der Neue in Ernst „Buddha“ Gennats Mordkommission. Metropolis steht für den Moloch Berlin und natürlich für den Film und den gleichnamigen Roman. Die Roman- und Drehbuchautorin Thea von Harbou hätte gern Einblick in Mordermittlungen: Gerade geht in Berlin ein Frauenmörder um, der seine Opfer skalpiert und deshalb von der Presse Winnetou getauft wurde.
Auch in diesem Roman trifft Bernie auf allerlei weitere Berühmtheiten: George Grosz, Lotte Lenya, Gustaf Gründgens, von ferne trällert ein Comedian Harmonist. Wie alle Bücher der Reihe ist auch dieses eher ein dreckiger Action-Roman als eine penibel genaue historische Darstellung. Aber die Umrisse und die Atmosphäre stimmen.
Metropolis ist Kerrs letztes Buch; der Autor verstarb 2018 mit 62 Jahren an Krebs. So mischt sich in den Lesegenuss auch Abschiedsschmerz. Vielleicht wäre die Reihe aber auch ohne den Tod des Autors auserzählt gewesen: aus Mangel an Berühmtheiten, die Bernie noch nicht getroffen hat.
An dieser Stelle sei Philip Kerrs deutscher Verlag gewürdigt. Rowohlt und Wunderlich haben Bernie und Kerr bis zum Schluss die Treue gehalten. Was nicht selbstverständlich ist im Verlagsgeschäft: Die Merrily-Watkins-Bücher Phil Rickmans und die beiden Fandorin-Reihen Boris Akunins erschienen recht plötzlich nicht mehr auf Deutsch.
Was bleibt, ist ein einprägsamer Ermittler mit Ecken und Kanten, doch nie amoralisch. Und eine großartige Buchreihe.
Das Buch ist bei Wunderlich erschienen, hat 400 Seiten und kostet 24 Euro. Der Link im vorigen Satz führt auch zu einer Leseprobe.
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