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  1. Welche Begriffe verbinden Sie spontan mit der DDR?
    Überholen ohne einzuholen (Hellseher!), Festival des politischen Liedes, Solidarität mit Vietnam, mit Angela Davis und mit den chilenischen Emigranten und Emigrantinnen. Radio Berlin International. Subbotnik, Zivilverteidigung, Schwerter zu Pflugscharen.
  2. Woran erinnern Sie sich besonders gern?
    An zwei von drei Russischolympiaden, bei denen ich Angela Kasner auf den zweiten Platz verwies. Beim dritten Mal war sie dann besser als ich. Ärger. Vergessen.
  3. Woran denken Sie ungern zurück?
    An den Tag, als man mir den Reisepass wegnahm und ich nach langer Zeit im Ausland wieder mit dem Leben in meinem Land beschäftigt wurde. Am schlimmsten daran war, dass mein Land kaum noch wiederzuerkennen war.
  4. Wie verlief Ihr Berufsweg?
    Anfangs smooth & sehr angenehm. Kein grosser Verdienst (maximal tausend Mark im Monat, davon 20 für die Wohnungsmiete), dafür Herausforderungen am Laufmeter. 2. Mein erster Chef, der Frauen nichts zutraute, weshalb ich meinen Karrieretraum aufgab. Höhepunkt: Dramaturgin am besten Theater des Landes. Meine (bis dahin:-) beste Zeit endete so plötzlich, wie sie begonnen hatte. Mauerfall, arbeitslos, Emigration.
  5. Was haben Sie in der Freizeit getan?
    Als Kind: Kleine elektrische Schaltkreise, Schwarzpulverbomben, Radiodetektoren gebastelt, jede Menge Experimente, Junge Sanitäter, Rezitatorenklub, Singeklub, Russischolympiaden (siehe oben), Matheolympiade, Schacholympiade, Biologie-Klub. Reisen in die Sowjetunion, nach Polen, Bulgarien, in die Tschechoslowakei, nach Ungarn. Jedes Jahr eine neue Fremdsprache gelernt. Als Erwachsene: Mich unentwegt verliebt. Lieder geschrieben, gesungen & geklampft, was das Zeug hielt. Bücher gelesen & noch mehr Bücher angehäuft. Fotografiert. Tagebücher & Gedichte geschrieben.
  6. Wen aus der DDR verehren Sie besonders und wofür?
    Walter Janka für seine Weitsicht und seinen Glauben. Meinen Mentor Friedo Solter für seine Unabhängigkeit. Kurt Demmler für seine Chutzpe. Peter Sodann für sein Bibliotheksprojekt. Alle vier für ihre Unbeirrbarkeit.
  7. Was hat Ihre DDR-Vita besonders geprägt?
    Meine späte Geburt. Mein Elternhaus, Vater war bei Kriegsende 17, Mutter 16. Sie waren verlorene Waisenkinder, machten zuerst Neulehrer-Schnellbleichen & hatten dann ein anstrengendes, aber gutes Leben, Vater als Hochschullehrer, Mutter als Fachschullehrerin. „Nie wieder Krieg!“ war ihnen wichtiger als alles andere. So kamen sie irgendwie mit der provinziellen Enge dieses kleinen Landes und seiner Widersprüchlichkeit klar, verlangten nie mehr. Besonders geprägt haben mich allerdings Mutters Naivität, Geradlinigkeit und Konsequenz und Vaters Heuchelei, die ich erst viel später aufdeckte.
  8. War das Verhältnis von Männern und Frauen zueinander anders als heute?
    Das kann ich nicht beurteilen, da ich mich selten für längere Zeit in Ostdeutschland aufhalte.
  9. Welche Meinung hatten Sie 1990 zur Wiedervereinigung?
    Mehr als skeptisch. Ich war traurig, dass unser Jugendtraum einfach so platzte. Ich meinte bis ungefähr 1986, er müsste erfüllbar sein.
  10. Welche Meinung haben Sie heute zum vereinten Deutschland?
    Bis vor ein paar Jahren: Ein verrücktes Projekt, es kam aber weniger schlimm heraus, als ich befürchtet hatte. Angela Kasner überraschte mich noch einmal, diesmal nahm ich das wohlwollend zur Kenntnis. In letzter Zeit hingegen mache ich mir Sorgen um Deutschland, wie ich mir auch Sorgen um Europa & den Rest der Welt mache.
Einer meiner Lieblings-Ostwitze:
Ein Hund läuft von Slubice nach Frankfurt, über den Fluss Oder, also von Polen in die DDR. In der Mitte auf der „Brücke der Freundschaft“ begegnet ihm ein Artgenosse, unterwegs von Frankfurt (O) nach Slubice. „Was willst du da drüben?“, fragte der ihn. „Mal wieder ne richtig fette Wurst“, sagte der polnische Hund, „Und du? Was zieht dich nach drüben?“ – Antwort: „Ich möchte mal wieder richtig laut bellen.“

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