Das Schauspielhaus Magdeburg zeigt Tod der Treuhand. Die 80 Minuten beschreiben Aufbruch und Untergang der alten SKET-Belegschaft.
SKET steht für Schwermaschinenbaukombinat Ernst Thälmann. Einst haben dort 30.000 ihr Brot verdient und die Suppe dazu, davon 13.000 in Magdeburg selbst. Sie haben Walzwerke hergestellt,Verseilmaschinen und Krane. Die Wende hat das Kombinat aufgesplittet in Auffanggesellschaften. Nach gestolperten Anläufen zur Privatisierung zählt die SKET GmbH heute 400 Mitarbeiter. Eigentümer ist Enercon, ein Hersteller von Windanlagen. Daneben gibt es weitere, kleinere Firmen unter dem SKET-Logo. Im SKET-Industriepark werkeln 1.100 Beschäftigte aus 20 Unternehmen.
Bis in diese Gegenwart reicht das Stück auf der Studiobühne nicht. Die Autorin und Regisseurin Caroline Millner umreißt die Zeit kurz vor der Wende bis zu dem Moment, wo der Treuhand-Vertreter “Zwangsvollstreckung!“ ruft. Der Letzte macht das Licht aus? Die Letzte entscheidet sich fürs Sonnenlicht und ein privates kleines Gartenglück. Wo nicht Deutsche Mark, sondern Pflanzen die wertvollste Währung seien. Und vor Investoren würden sie wohl ihre Bienen schützen.
Caroline Millner ist gebürtige Hallenserin. Ihre Bühnenarbeit nennt sie Stückentwicklung. Zu jung, um selbst die Wendezeit bewusst erlebt zu haben, verbindet sie darin Erzählungen von Zeitzeugen mit Zitaten aus Reden, Dokumenten, Zeitungsartikeln – verfremdet bis zur Kenntlichkeit. Diese Technik des Zusammenfügens, der Collage erinnert mich an Walter Kempowski. (Ein Eindruck, den das gendernde Programmheft dann wieder tilgt.)
Rutschiges Parkett
Die Bühne im Studio des Schauspielhauses Magdeburg (Bühnenbild und Kostüme: Maylin Habig) ist ein nasses Etwas: Wasserstand knapp knöchelhoch. Die Schauspieler agieren in Flossen-Kostümen zwischen menschlicher Robbe und Meerjungfrau. Die Flosse an den Füßen lässt Bewegung nur in Trippel-Schritten zu. Vielleicht ein Bild dafür, nie herauszukommen aus dem eigenen kleinen Teich. Oder für eine Aquariums-Hilflosigkeit, betrachtet aus abgeklärten Sanierer-Augen. Denn saniert muss werden, das ist klar: Also los, wo sind denn die schlechtesten Abteilungen?
Der Ingenieur wird zum Vertreter für Kochgeräte. Und zu einem mit allen Elbwassern gewaschenen Verkäufer und Händeschüttler. Die Leiterin des Kulturwesens im Kombinat hat eingangs noch bedauert, dass ihre Kollegen beim Theaterabend immer nur Rudi Strahl wollen und nie Heiner Müller. Neugierig bricht sie auf in die neuen kulturellen Möglichkeiten. Und kehrt doch nur ins Alte zurück als Assistentin, Pardon: Partnerin, des Treuhand-Zuständigen.
Plakativ? Nein. Was zum einen an der Präzision der Texte liegt, die das schwere wie schwer erträgliche Pathos meiden wie weiland die Investoren das eigene Risiko. Und zum anderen am Ensemble: Anja Signitzer, Isabel Will, Philip Heimke, Iris Albrecht, Christoph Förster. Ohne zu überzeichnen, liefern sie präzise Studien von Figuren, die so überall in den abgewickelten Betrieben der abgewickelten Republik vorstellbar sind.
Das Stück verdichtet Geschichten zu Geschichte. Es klärt dabei auf, ohne zu belehren. Aufbruch zwischen Enthusiasmus und Naivität endet in Abbruch zwischen Geschäftemacherei und Resignation. Kunst als Aufarbeitung; Müllerreske Zuspitzungen fehlen. Aber ein paar gute Sprüche sind doch dabei.
Wie der, dass es seit der Wende zwar feine Hosen gibt. Aber Arsch in der Hose immer noch nicht.
Nächste Aufführungen am 6.11. und 13.11.20
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