Die Bilder dürften vielen noch etwas sagen. Auch wenn ihnen der Name des Grafikers entfallen sein mag. Eine Ausstellung in der Galerie Kunstverein Ost in Berlin-Mitte ruft ihn ins Gedächtnis zurück: “Jürgen Wittdorf, Lieblinge, Arbeiten von 1952-2003″
Elefanten und Wildschweine für Kinderbücher, ein Pärchen auf dem Motorrad und ein Vater mit Kind auf dem Arm und Einkaufsbeutel in der Hand im Zyklus für die Jugend, zwei Soldaten in Uniform, Bauern auf dem Feld. Holz- oder Linolschnitte, Zeichnungen mit Rötelkreide, Kohle, Tusche, Keramiken. Wittdorfs DDR-Menschen wirken alltagssozialistisch. Dass sie nicht wie pralle Helden aus der Aktivisten-Retorte daherkommen, dieser Realismus hat zu Wittdorfs Popularität beigetragen.
Der Künstler lebte von 1932-2018. Manche der frühen Bilder nackter oder halbnackter Männer lassen seine Homosexualität ahnen. Spätere Bilder sind deutlicher und zeigen auch Erektionen.
Wittdorf leitete ab den 70-er Jahren einen Kunstzirkel im Berliner Haus der Jungen Talente und unterrichtete im Haus des Lehrers. Nach der Wende
gerieten er und sein Schaffen in Vergessenheit. Er bezog Sozialhilfe, dann Rente. Seinen Lebensabend verbrachte er in einer Behinderten-Wohngemeinschaft, wo er mit 86 Jahren starb.
Ein Kunstsammler hielt Wittdorfs Werke zusammen. Die erste Ausstellung nach der Wende fand 2004 im Schwulen Museum statt. Die Begleitbroschüre lobte die […] “Überwindung einer veralteten Prüderie, neue Lebensmodelle und besonders eine emanzipatorische Gleichbehandlung der Frauen […]”
Stimmt.
Die Ausstellung befindet sich in der Leipziger Str. 47 auf der stadteinwärts rechten Seite. Der Zugang erfolgt über die Jerusalemer Straße. Geöffnet ist von Mitwoch bis Sonnabend, 14.00-18.00 Uhr. Der Eintritt ist frei, die Galerie bittet um eine Spende.
- Interessant? Danke. Dann teilen Sie doch den Text.
- Share on Linkedin
- Tweet about it
- Print for later
- Tell a friend
Nach Kategorien sortieren
Letzte Artikel
- Abgeschlossenes Sammelgebiet
- Ost-Identitäten als soziales Kapital
- Der Mäzen aus dem Waisenhaus
- Weltall, Erde, Mensch
- Vom unsichtbaren Visier in den Granatenhagel
- Mohren, Missionare und Moralisten
- Der Osten und das Unbewusste
- Füllt mir eure Daten in mein Säckel
- Vertrieben, zensiert, gefördert
- Eine Jugend in Prag
- Sprachstanzen und Gedankenmuster
- Nu da machd doch eiern Drägg alleene!
- Mit dem Rolli in die Tatra-Bahn
- Der Teufel in Moskau und im Nationaltheater Weimar
- Low noise? Dreht die Regler auf!
Stimmen-Tags
Beatles-Oldie Brigadier Broiler Bückware Dummheit Ellenbogen Gemischt-Sauna größtes Glück Hartz IV Hase im Rausch Hausbuch Hilbig Honecker intolerant Kollektiv komisch Konsum Mangelwirtschaft Mauer Mokkafix Neid Oertel Patenbrigade Pflaumenmus Pionier Russen Russisch S50 Scheiße Schwarz-weiß Sex Solidarität Sport Stagnation Stasi Stern-Recorder Stimme der DDR Titten-Bilder Trabi tragisch Vita-Cola Wende weniger verkrampft Westfernsehen Wilhelm PieckLetzte Kommentare
- Redaktion bei Ost-Identitäten als soziales Kapital
- André Beck bei Ost-Identitäten als soziales Kapital
- Redaktion bei Inzest und Liebe
- Redaktion bei Colegas estrangeiros: Mosambikaner in der DDR
- Mario Kluge bei Ein Denkmal der Arbeit