Am Anfang sind es noch 44 Tage bis zum Tod des Kaisers. Am Ende ist nicht nur der Kaiser tot. Axel Simon führt seine Leser aus ins Berlin von 1888.

“Heute bleibt die Suppe kalt, die Suppe kocht uns Frankenwaldt.” Ganz Berlin sucht einen der drei goldenen Würfel, die der Suppenhersteller als Reklame zwischen seinen Brühwürfeln versteckt hat. Ganz Berlin? Gabriel Landow sucht keinen Würfel. Er sucht einen Mörder.

Landow ist Privatdetektiv. “Freunde nennen ihn abwechselnd Gabi oder Arschloch.” Er haust in der Dachkammer einer Pension, die von einem Kriegskameraden betrieben wird. Was Raymond Chandlers Philip Marlowe der Bourbon, ist ihm der Cointreau – ein verschwundener Pensionsgast hat 3.000 Flaschen des hochprozentigen Orangenlikörs zurückgelassen.

Landows Partner in der Zweimann-Detektei ist gerade nach Amerika ausgewandert. Landow überlegt, seinen letzten Fall abzuschließen und ihm zu folgen. Während er im Auftrag einer Gattin den womöglich untreuen Ehemann beschattet, gerät der ihm für ein paar Minuten aus den Augen. Und liegt dann tot vor ihm – offenbar aus einem Ballon gefallen oder gestoßen. Und plötzlich ermittelt Landow im Regierungsauftrag. Will ein alter, bis in die Ränge direkt unter Bismarck aufgestiegener Klient ihm damit einen Gefallen tun? Oder ihn im Gegenteil so in Gefahr bringen, dass mit ihm der einzige Zeuge einer Vertuschung verschwindet?

Blut und Eisen
Der Roman hat alles, was ein Krimi braucht. Da gibt es den Helden mit mysteriöser Vergangenheit – Landow stammt aus altem ostpreußischem Adel. Auch die geheimnisvolle und gefährliche Frau tritt auf. In höheren Regierungskreisen wird intrigiert. Die Rüstungswirtschaft tüftelt an neuen Waffen. Und ein Frauenmörder geht auch noch um. Dazu kommen liebevoll skizzierte Nebengestalten: der einarmige Taschendieb mit falscher Hand, der Feine Franz als schwuler Liebhaber, Feinbäcker und Türsteher, das geistig beschränkte Hubbertchen.

Simons Tonfall streift mitunter die lakonische Lässigkeit eines Chandler. Etwa, wenn der Mann mit dem falschen Arm an sich herabsieht “und bemerkt, das seine Hände zittern. Beide.“  Auch ewige Wahrheiten bietet das Buch dar. Wie die, dass ein professionell ausgeführter Koitus nicht länger als drei Minuten dauern müsse, wenn beide Seiten sich Mühe gäben. Nur beim Adel scheint der Autor nicht ganz sattelfest: Freiin ist für eine verwitwete Gräfin weder als Anrede noch als Titel tauglich. Sollte Ihre Kenntnis ostpreußischer Gepflogenheiten etwas anderes besagen, liebe Leser: Klären Sie mich auf.

Ein starker, launiger Kriminalroman. Und zur Abwechslung mal ein Berlin-Krimi ganz ohne Nazis oder die Stasi. Am Ende dürften die meisten Leser Gabi statt Arschloch zu Landow sagen.


Das Buch ist im Kindler-Verlag erschienen, hat 413 Seiten und kostet 20 Euro. Der Link führt auch zu einer Leseprobe.

 

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