Das bereits 1999 erschienene Buch schildert Geschehnisse und Verhandlungen auf dem Weg zur Wiedervereinigung und stützt sich dabei auf zahlreiche Quellen.

Wer von den SED-Reformern hat damals was mit wem in Moskau besprochen? Wer hat sich nicht an die Absprachen gehalten? Wie hat sich die Position der Westmächte und der BRD-Regierung hinsichtlich des Tempos der Vereinigung entwickelt? Wie haben sich SED-Gremien umstruktuiert?  Die in Umrissen chronologische Darstellung ist eingebettet in staatspolitische Überlegungen und Ausflüge in die marxistische Theorie.

Das liest sich faktenreich und interessant, wenn zum Beispiel anhand von Dokumenten versucht wird, die tatsächlichen Motive Schabowskis für seine Grenzöffnung via Pressekonferenz und dem “… gilt das unverzüglich, sofort” zu enträtseln. Nach Meinung der Autoren weder ein Versehen noch Uninformiertheit, sondern Eigendarstellung, um Krenz die Show zu stehlen. Gorbatschow selbst wird mit seinen Memoiren zitiert, denen zufolge der Beschluss zu einer Liquidierung der DDR auf einer geheimen Sitzung am 26. Januar 1990 in Moskau getroffen wurde. Auch Berater Gorbatschows und weitere Akteure sowjetischer Politik kommen zu Wort.

Die Autoren sind Historiker (Czichon) und Kulturwissenschaftler (Marohn). Bei der Erstveröffentlichung des Buchs waren sie knapp 70 und knapp 80 Jahre alt. Sie trauern einer DDR nach, wie sie hätte werden können, wenn sich 1989/90 die aus ihrer Sicht richtigen Reformer durchgesetzt hätten. Dabei bleiben sie den Dogmen der DDR auf eine Weise verhaftet, die dem Buch viel von seiner Wirkung nimmt: Lenin war gut, Krenz ein Hoffnungsträger und Reformer, der Klassengegner kocht sein Süppchen. Und so trifft der Leser ohne erkennbare Distanz der Autoren auf bekannte realsozialistische Sprachfloskeln: die UdSSR als der erste Arbeiter- und Bauernstaat, Unverbrüchlichkeit usw. Der Rückblick auf die DDR ist verklärt, der kurze Blick in die damalige Gegenwart am Ende des Buchs getrübt. Das wirkt so, als ob jemand zwar nicht in der Lage ist, Ursachen einer Erkrankung zu diagnostieren. Aber trotzdem schon mal eine Gallone vom einzigen im Haus vorhandenen Medikament anschleppt – mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum.

Lesenswert bleibt das Buch dennoch. Wegen seiner zahlreich angeführten Fakten, als Einblick in die Denkweise eines Teils der SED. Und wegen des treffenden Fazits: Gorbatschow hat die DDR verschenkt.

Das Buch ist 1999 im Papyrossa-Verlag erschienen und in einer Neuauflage aus dem Jahr 2009 für 22,80 Euro oder antiquarisch zu erhalten.

 

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