Foto zeigt BuchcoverIsabella Krause ist genervt. Beim Casting für eine peinliche Joghurt-Werbung fällt die arbeitslose Schauspielerin aus Protest ins Sächsische. Was ihr prompt den Auftrag einbringt, für eine geplante Doku-Fernsehserie echte Ossis aufzutreiben.

Denn schließlich soll authentisch erzählt werden, wie es damals war in “Wild Ost” mit all der Stasi und dem Zwangssitzen auf den Kindergarten-Töpfen. Isabella fährt in ihre alte Heimat und findet Leute, die vor der Kamera von ihrem Leben erzählen wollen. Aber dann ist bei den Aufnahmen die Kindergärtnerin nicht reuevoll genug. Und auch der Mann aus dem ehemaligen Kraftwerk ist merkwürdig stolz auf seine Arbeit, statt sich für die Umweltverschmutzung gebührend zu schämen. Damals hatten 6 000 dort gearbeitet. Heute läuft das Werk automatisch und benötigt nur noch vier Aufpasser. “Blieben 5 996 Frührenter, Arbeitslose und ABM-Kräfte.“ Nachdem der Fernsehautor von der alten Kneiperin Kreller Melitta auch noch unter den Tisch getrunken worden ist, wird beim Betrachten der Aufnahmen klar: Zufriedenheit bringt keine Einschaltquoten. Frau Krause muss liefern. Und Frau Krause liefert.

Das Buch erfreut mit fidelem Humor und einem feinen Blick auf Ost-West-Befindlichkeiten. Dabei lässt Kathrin Aehnlich, Jahrgang 1957 und aus Leipzig, die Sprache perlen. Ein Ostler, der wie ein westdeutscher Geschäftsmann gekleidet ist (nur das mit den Schuhen und dem Gürtel, das hat er noch nicht richtig drauf) wird bei ihr zum “Schaf im Wolfspelz“. Und das Haus der 1000 Dinge, in der DDR ein Name für Mini-Warenhäuser, firmierte bei Isabellas Großmutter als „Haus der 999 Dinge“ – weil ausgerechnet der Gegenstand, den man gerade brauchte, immer ausverkauft war.

Große oder wenigstens bekannte Namen wie Wolf Biermann, Volker Braun, Heiner Müller werden kurz erwähnt und damit abgehakt. An einigen wenigen Stellen gerät die Schnurre aus der Spur: Die Dialoge mit einem Freund aus dem Westen oder die Gedanken zur Gleichberechtigung wirken bemüht. Trotzdem ist Frau Krauses Suche ein Lesevergnügen für trübe Novembertage. So wie Frau Krause werden viele beim Tele-Lotto auf die Zahl 14 gehofft haben. Und die damit verbundene Ausstrahlung eines humoristischen Sketches. “Das war ein Durchläufer, Herr Rohr.“

Frau Krause und Frau Aehnlich verklären die DDR nicht. Sie werfen einen liebevollen Blick auf die Menschen, die dort gelebt haben. Und in einer anderen Wirklichkeit abgestellt wurden. “‘Latte macchiato“ sagte die Assistentin. ‘Hier gibt’s nur Kaffee’, sagte Melitta.“

Das Buch ist im Verlag Kunstmann erschienen, hat 176 Seiten und kostet 18 Euro.  Informationen zur Autorin und Termine für Lesungen aus dem Buch stehen hier.

 

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