Der Buch ist eine Hommage in Bild und Wort an die Studentinnen am Bauhaus. Manche haben mit ihren Entwürfen Design-Geschichte geschrieben. Andere sind nach drei Semestern Studium in die weitgehende Anonymität des Privaten entschwunden.

Patrick Rössler holt auch sie in seinen 89 beispielhaften Porträts zurück. Rössler ist Professor für Kommunikationswissenschaft, Kurator von Bauhaus-Ausstellungen und Fachmann für das am Bauhaus entstandene Grafikdesign.

“Mädchen wollen etwas lernen”
Unter dieser Überschrift führte 1930 ein Beitrag der nationalkonservativen Illustrierten Die Woche auch den Begriff „Bauhausmädel“ ein – als Typus einer selbstbewussten modernen Frau. Zur Modernität gehört neben Accessoires wie dem Bubikopf und einem freieren Umgang der Geschlechter miteinander auch die Berufstätigkeit. 1925 waren bereits vier von zehn Frauen in Deutschland berufstätig. Auch, weil viele Männer im Krieg gefallen waren und die Inflation Ersparnisse schnell auffraß.

Das Bauhaus galt als fortschrittliche Kunstschule. Es war 1919 von Walter Gropius in Weimar als Zusammenführung zweier Kunstgewerbeschulen gegründet worden. Das Studium war offen für “jede unbescholtene Person ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht”, deren Vorbildung vom Meisterrat als ausreichend erachtet wurde, und “soweit es der Raum zulässt”.

462 Frauen waren Studentinnen am Bauhaus. 181 von ihnen haben länger als drei Semester studiert, 38 auch einen Abschluss erreicht. Die Zahlen beziehen sich auf die im Thüringer Staatsarchiv gut dokumentierte Zeit bis 1925, als das Bauhaus eine staatliche Einrichtung war. Fast die Hälfte der 181 Frauen haben demnach ihre Ausbildung in der Weberei absolviert – ein Indiz für hierarchische Strukturen, die Frauen von prestigereichen Abteilungen wie der für Bau/Ausbau ferngehalten haben. Rössler weist aber auch darauf hin, dass Textilgestaltung eine zentrale Rolle bei der Ausstattung von Innenräumen spielte und mit marktfähigem Design maßgeblich zum Erfolg der Bauhausprodukte beigetragen hat. Die anderen Ausbildungsstätten waren den Studentinnen auch nicht generell verschlossen. Von den 181 Studentinnen ist dokumentiert, dass sie in 170 Fällen für zumindest  ein Semester auch eine andere Werkstatt als die Weberei besucht haben. Gunta Stölzl, die spätere Leiterin der Weberei, schreibt 1931 in ihren Erinnerungen: “bauhausmädchen der ersten zeiten versuchten sich in jeder werkstatt: tischlerei, wandmalerei, metallwerkstatt, töpferei, buchbinderei. bald zeigte sich, dass der schwere hobel, das harte metall, das anstreichen von wänden für manche nicht die betätigung war, die den psychischen und physischen kräften enstsprach. die seele blieb dabei hungrig!”

Trotz der Etikettierung als “Bauhausmädel”: Die soziale Herkunft, die politischen Ansichten und die Ziele der Studentinnen waren ähnlich vielfältig wie die ihrer männlichen Mitstudenten. Das zeigen auch die Porträts.

89 Schicksale
Die Einzelporträts im Buch bestehen aus einer Lebensbeschreibung und Fotos, aufgenommen zwischen 1919 und 1933. Der Rezensent will hier nur Marianne Brandt (1893-1983) hervorheben, die vielleicht bekannteste Bauhaus-Absolventin. Ihre Teekanne von 1924 ist zu einer Design-Ikone geworden.  Nach dem zweiten Weltkrieg war sie unter anderem als Dozentin in Dresden und an der Hochschule für Angewandte Kunst in Berlin-Weißensee tätig.

Die Porträts werden mal von einem, mal von sieben Fotos illustriert. Der Betrachter schaut auf Bilder selbstbewusster, ausgelassener, nachdenklicher, trauriger Frauen und auf Biografien, so verschlungen wie die Zeitläufte. Sie haben Bauhaus-Studentinnen in die New Yorker Kunstszene geführt, in Werkstätten in aller Welt, in die Lehre an west- oder ostdeutschen Einrichtungen, nach Palästina, in Ehen mit Bauhaus-Meistern und in Scheidungen. Und auch nach Auschwitz, Deutschlands ewiger Schande. Viele der Fotos stammen von Theodore Lux Feininger, dem Sohn des Bauhausmeisters Lyonel Feininger. Auch  Man Ray als Fotograf ist vertreten. Andere Fotos sind Selbstporträts oder Werke anonymer Kommilitonen.

Ein starkes Buch, das Einblicke vermittelt in eine Zeit des Aufbruchs und der Hoffnungen, Scheitern inklusive.

Das Werk ist im Taschenverlag erschienen – mit deutschem, englischem und französischem Text. Es hat 480 Seiten und kostet 30 Euro.

Randnotiz: Die Tochter des Rezensenten hat an der Bauhaus-Universität Weimar studiert und webt Internet-Konzepte.

 

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