Selbstmord? Der Ermittler zweifelt. Er stößt auf ein Archiv der Gewalt. Und auf drei Frauen, die sich wehren.

Der Mann, der Ermittler, die Witwe. Denemarková benutzt Wörter als Generalisierungen. Erst allmählich werden daraus Individuen, Typen. Der Mann, ein Charakterschwein. Die Witwe, eine Befreite. Der Ermittler, ein Suchender.

Der Tote war ein erfolgreicher Geschäftsmann und Fremdgänger. “Sex ist Freude”, hat er seinen Gespielinnen verkündet. Die ihre blaugeschlagenen Gesichter als Zeichen der Liebe und persönlichen Beitrag zur Freude deuten. Der Geschäftsmann wollte ein Buch schreiben und wurde dabei von der angesehenen Schriftstellerin Birgit Stadtherrová betreut. Weil Stadtherrová außer Landes ist, bricht der Ermittler in das Haus ein, das sie mit zwei Freundinnen, ältere Damen wie sie, bewohnt. Dort entdeckt er ein ausführliches Archiv mit Aufzeichnungen über Vergewaltigungen, von den Tagen des Weltkriegs bis in die Neuzeit.

Die drei Bewohnerinnen sind derweil in England und geben Kurse. Dass sie zum Essen in ein Restaurant gehen, dessen freundlicher Betreiber im Hauptjob minderjährige Mädchen für die Prostitution gefügig machen lässt, ist kein Zufall.

Denemarkovás Thema ist die Gewalt gegen Frauen. Manche Fälle dürften dem Zeitungsleser noch in Erinnerung sein: die Gruppenvergewaltigung in einem indischen Bus. Die Migranten-Gangs, die in einem englischen Problemviertel unbehelligt minderjährige Mädchen vergewaltigt haben. Und die auch deshalb nicht aufflogen, weil Verdächtigungen als rassistisch galten. Die Autorin lässt diese Geschehnisse nur Facetten in einem Krieg der Geschlechter sein, der in allen Ländern tobt und Frauen als gequälte Körper zurücklässt, die in ihrer Erniedrigung verharren und diese bewusst oder unbewusst wiederholen. Nicht jeder Mann ist Täter; zwischen der Witwe und dem Ermittler passiert Liebe.

Beobachtet wird das Geschehen des Romans von Schwalben. Seit Jahrhunderten betrachten sie das Treiben der Menschen aus der Höhe, überfliegen Kontinente, sind als Stadtschwalben Mädchen, tragen Wörter im Schnabel davon. Wenn Denemarková beschreibt, wie sich die drei Freundinnen in die Luft erheben oder wie deren Haus von selbst tiefer in einen Hügel hineinwächst, streift sie den Magischen Realismus. Manchmal ist sie zu verliebt in ihre Bildersprache: Junge Männer lauern als Fliegenschnäpper auf Insekten, aber schon im nächsten Satz dreschen sie gemeinsam unreifes Getreide. Als das Buch dann angelangt zu sein scheint an einem (überzeugenden) magisch-realistischen Schluss, flanscht die Autorin noch einen Ausflug in die tschechoslowakische Historie an. Vielleicht hat sie der Poesie ihres Endes nicht vertraut. Oder sie hält Präsident Beneš für überschätzt.

Kein Krimi. Aber ein spannender, wuchtiger Roman, der thematisch und sprachlich beeindruckt. Übersetzt wurde er von Eva Profousová.

Das Buch ist bei Hoffmann und Campe erschienen, hat 336 Seiten und kostet 24 Euro.

 

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