Gibt es so etwas wie die Seele eines Landes? Und findet sie sich in dessen Literatur? Martin Becker geht in Tschechien auf die Suche.

Auf Einladung einer fiktiven Organisation zur Entwicklung und Pflege der tschechischen Seele reist Becker in das “Land der Geschichten”. So lautet ein Werbeslogan der Tourismusagentur Tschechiens. Und prompt gerät Becker zunächst in einen fiebrigen Traum und dann ins Plaudern. Und wo ließe sich besser plaudern als in Kneipen, zumal in Prag? Jedno pivo, prosim.

Becker verbindet Biografien tschechischer Schriftsteller, die Geschichte des Landes, Anekdoten aus dem Künstlerleben und eigenes Fabuieren zu liebevollen Miniaturen. Aus ihnen blitzt der Selbstbehauptungswille eines kleinen Landes, das sich in die Weltliteratur geschlichen hat wie Schwejk in die Schenke. Kafka tritt auf und fast auch noch der beste Freund von dessen Urenkel. Auch Namen wie Milan Kundera, Bohumil Hrabal, Gustav Meyrink, Karel Čapek und Jaroslav Hašek dürften den literarisch Interessierten geläufig sein. Andere Namen wie Božena Němcová und Lenka Reinerová müssen aus tieferen Schichten des Gedächtnisses geholt werden. Wiederum andere, Ota Pavel oder Marek Šindelka, sind Anregungen zur Erstbekanntschaft. Welches Land hat sich schon den Luxus eines Künstlers als Präsidenten geleistet? Und Václav Havel hat so viel vor, muss einen Tag nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten aber erst die Wächter seines Amtssitzes wecken: Am Sonnabend ist die Prager Burg geschlossen. “Guten Tag, ich bin der Präsident, und ich will zur Arbeit.”

Becker ist Jahrgang 82, im Sauerland aufgewachsen und hat seit “Pan Tau” und den “Drei Haselnüssen für Aschenbrödel” in seinen Kindertagen ein Faible für tschechische Kunst. Ostdeutsche Leser mögen beim literarischen Ausflug Jiří Marek und seine “Panoptiken” vermissen oder auch Egon Erwin Kisch. Ein Grund mehr, mal wieder nach Prag zu fahren.

Ein Buch, wie geschaffen für die Städtekurzreise oder die Wandertour durch eines der tschechischen Gebirge. Süffig im Ton, bekömmlich im Abgang
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Das Buch ist bei Luchterhand erschienen, hat 224 Seiten und kostet 16 Euro.

 

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