Lauter appetitliche Lesehäppchen für zwischendurch: Christoph Hein blickt anekdotisch auf sein Leben im kleinen und im vergrößerten Deutschland.
Wobei vieles, was er auf den Tisch bringt, eher den Appetit verschlägt: Intrigen, Bos- und Dummheiten, denen auch mit Heiterkeit nicht beizukommen ist. In der Episode “Eine Entzweiung” schildert Hein die Entfremdung zwischen ihm und seinem brüderlichen Freund Thomas Brasch. Hein wollte Anfang der 60-er Jahre als Student an eine Hochschule nach Leipzig wechseln, um an der Seite seiner schwangeren Frau zu sein. Braschs Vater, Stellvertretender Kulturminister, passte die Freundschaft seines Sohnes zu Hein nicht. Er war für die Hochschulen zuständig und ließ Hein durch seinen Sohn ausrichten, dass er ihm wegen der Immatrikulation schreiben möge. Die nur scheinbar freundliche Geste gab ihm die Möglichkeit, dem Rektor der Hochschule offiziell mitzuteilen, dass Hein der Republik gegenüber feindlich eingestellt sei. Er wünsche nicht, dass “dieser Hein” an irgendeiner Kunsthochschule des Landes studiere. Das bekam Hein über andere Kontakte mit. Den Freund zur Rede stellen? “Ich verlangsamte meinen Schritt, blieb schließlich stehen und kehrte um.”
Andere der 28 Geschichten drehen sich um die Schwierigkeiten bei der Veröffentlichung von Heins Büchern oder Stücken, wie “Der fremde Freund”, “Horns Ende”, “Die Ritter der Tafelrunde”, um Schriftstellerkongresse, Auslandsreisen. Heiner Müller tritt auf und Manfred Krug. Von Krug hat Hein den Buchtitel entlehnt – der Schauspieler hat heimlich ein Treffen in seiner Wohnung mitgeschnitten, bei denen Künstler mit Parteivertretern über die Ausbürgerung Biermanns stritten.
Und die Zeit nach der Wende? Glich laut Hein einer „Shotgun Wedding“, einer Heirat unter Zwang. Fast wäre Hein weltberühmt geworden, schreibt er selbstironisch. Aber dann ließ er doch seinen Namen im Abspann des Films “Das Leben der Anderen” streichen, weil das, was er dem Regisseur bei dessen Themenrecherche über das Leben eines Dramatikers in der Diktatur erzählt hatte, nicht zu dem “bunt durcheinandergemischen Unsinn“ passt, der später den Oscar gewann. Die Geschichte, wie Hein fast Intendant des Deutschen Theaters geworden wäre, ist eine Geschichte von intriganten Budgetkürzungen und Durchstechereien der Ministerial- und Kulturbürokratie.
Die letzte Anekdote zitiert zwei Damen aus Baden-Württemberg. Eine ist Buchhändlerin, die andere leitet einen Lesekreis. Bei einer Ayurveda-Kur sprechen sie bei allen Mahlzeiten über Autoren und Bücher. Eine Freundin Heins aus Flensburg fragt, ob sie auch ostdeutsche Autoren lesen würden. Die Damen sind irritiert: “Nein, so etwas interessiert uns nicht.“
Hein sieht darin eine exakte Beschreibung für das deutsch-deutsche Verhältnis dreißig Jahre nach der Vereinigung. Den Fortschritt resümiert er so: “Die beidseitige Abneigung und der gereizte Widerwille wichen einem gleichgültigen Desinteresse. In weiteren dreißig Jahren kann dann endlich zusammenwachsen, was zusammengehört.”
Das Buch ist bei Suhrkamp erschienen, hat 123 Seiten und kostet 14 Euro.
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