Vor einem Jahr ist die Republik angetreten, um von der Schweiz aus den Journalismus zu retten. Oder gleich die ganze Demokratie. Oder wenigstens ein paar Journalisten. Muss man als guter Demokrat ein Republikaner sein?
Das Fazit nach einem Jahr ist zwiespältig. Unter den pro Tag rund drei veröffentlichten Texten gibt es viele spannende Artikel. Über andere Länder, wie diesen über Todesschwadronen auf den Philippinen. Über Deutschland, wie den Streifzug durch Sachsen und Chemnitz. Auch wenn die Einschätzung von Depeche Mode als “Musik der systemkritischen DDR-Jugend” vermutlich nur von Depeche-Mode-Fanklubs geteilt wird. Eine lesenswerte Analyse der Republik enttarnt den Gender Pay Gap als Mutterschaftsstrafe. An den investigativen CumEx-Recherchen war das Journal ebenfalls beteiligt.
So weit, so lesenwert. Das Magazin bevorzugt im Allgemeinen ein kulturlinkes Narrativ mit klar verteilten Rollen für Gut (Flüchtlingshelfer, Feministen, Linkspopulisten) und Böse (Trump, Putin, Rechtspopulisten). Dass die Republik es zu selten schafft, diese Echokammer zu verlassen, zeigt sich besonders deutlich bei den Kommentaren der Leser. Die Community senkt im internen Bewertungssytem regelmäßig den Daumen, wenn Diskussionsbeiträge einen linken Grundkonsens zu verlassen scheinen, sogar wenn die neu eingebrachten Aspekte höflich formuliert und für das Thema förderlich sind. Selbst Redakteure werden dann zu Rumpelstilzchen und stampfen mit dem Fuß. Dadurch bleibt die Republik unter ihren Möglichkeiten. Viele der Abonnenten, die auf mehr Pluralimus gehofft hatten, werden ihr Abo eher nicht verlängern.
Zu den Zahlen: Von den nach Angaben der Republik knapp 23 000 Abonnements steht für 16 000 Mitte Januar eine Verlängerung an. Die Republik hofft darauf, dass zwei Drittel der Abonnenten bleiben. Bei einer Quote von weniger als 50 Prozent müssten beim Projekt Einsparungen erfolgen. Für eine ausgeglichene Rechnung hat die Republik 28 000 Abonennten als Ziel. Bislang wird die Lücke von Kapitalgebern überbrückt.
Nein, man muss kein Republikaner werden, um die Demokratie zu retten oder auch nur den Journalismus. Wer 240 Franken (213 Euro) übrig hat, erhält aber ein Jahr lang drei, vier spannende Artikel pro Woche auf den Bildschirm und alle ein, zwei Wochen einen überragenden. Und vielleicht wird es ja doch noch etwas mit der Debattenkultur.
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