De Bruyn wirft einen Altersblick auf den Zustand der Heimat. Was er sieht, gefällt ihm nicht.

Im neuen Buch de Bruyns bekommen alle ihr Fett weg: ungeduldige Väter, verlorene Söhne, gendergerechte Sprachverhunzer, Geschäftemacher, Flüchtlings-Bejubler, ignorante Westjournalisten, eine dem vermuteten Zeitgeist hinterhertaumelnde evangelische Kirche und die neumodische Technik. All dies betrachtet Leonhardt Leydenfrost, de Bruyns Sprachrohr im Roman, gleichermaßen skeptisch.

Er ist ein Bibliothekar im Ruhestand und hatte im Osten Deutschlands gearbeitet, seine Schwester Hedwig, Kinderärztin, im Westen. Jetzt wohnen beide auf dem Gut ihrer Vorfahren im Brandenburgischen. Mit auf dem Hof leben Leonhardts Tochter Wilhelmine mit ihrem Sohn Walter sowie Fatima, eine bosnische Ziehtochter Hedwigs.

Hedwigs 90. Geburtstag soll auf Betreiben ihres Bruders groß gefeiert werden. Weil Hedwig als die mittlerweile “legendäre Hedy” eine der Gründerinnen der Grünen war, erinnert sich auch die Partei ihrer und will sie einspannen in die Werbung für eine Willkommenskultur und die Ehe für alle. Dazu passt, dass die Jubilarin statt um Geschenke um Spenden für den auf ihr Betreiben gegründeten Förderverein Flüchtlingskinder bittet. Solche sollen nämlich in die Gebäude der Aktion Neue Heimat, ehemals LPG, einziehen, kommen dann aber doch nicht, weil die unbegleiteten Flüchtlinge keine Kinder, sondern junge Männer sind, die sich der Provinz verweigern. Was auch kein Problem ist für den gut vernetzten Gebäude-Vermieter, einen ehemaligen Stasi-Mann, der sein Geld dann eben mit Tourismus macht und dem Wilhelmine als Mitarbeiterin und Geliebte verbunden ist.

Das Buch berührt, wenn de Bruyn, selbst Jahrgang 1926, die Hinfälligkeit alter Leute beschreibt, die unspektakuläre Schönheit der märkischen Landschaft oder die sozialen Strukturen des Dorfes, wo Alteinwohner mit Zugereisten wenig zu tun haben wollen. In einem der Sätze des Romans beschreibt sich Leonhardt als jemanden, “der nie mit dem Kopf durch die Wand gewollt hatte, vielmehr immer dazu geneigt war, ein Schlupfloch in ihr zu suchen oder sie zu umgehen.” Das ist eine Haltung, die de Bruyn wohl auch für sich selbst in Anspruch nehmen würde. Er war auch in Werken wie dem Vorgänger-Roman “Neue Herrlichkeit” (1984) eher der wohlüberlegten Skepsis als einem hurra rufenden Draufgängertum in die eine oder andere Richtung verbunden. Sein neues Buch ist ein Anlass, auch in den älteren noch einmal nachzulesen.

Das Buch ist bei Fischer erschienen und kostet 22 Euro.

 

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