In ihrer Eigendarstellung machen sie die Welt jeden Tag ein bisschen besser. Laut Thilo Bodo machen sie sich die Welt zur Beute: die Konzerne. Sein Fazit: “Wirtschaftliche Macht wird politische Macht.”

Bode ist Gründer und Direktor der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Sein neues Buch beschreibt an vielen Beispielen den Verrat von Konzernen an der Marktwirtschaft: “Wie globale Unternehmen uns schaden und die Demokratie zerstören” lautet der Untertitel.

Illegale Preisabsprachen bei LKW, Bahnschienen, Online-Reiseportalen, Fluggesellschaften, Banken und selbst bei Zucker oder Waschmitteln – die Zechen zahlen der Mittelstand und die Endkunden. Bußgelder sind dabei schon eingepreist. Bode führt aus: Ihre beherrschende Marktstellung lässt Konzerne zu Supermächten werden, die auch noch vom Staat und Steuerzahler subventioniert werden. Amazon zum Beispiel hat seit dem Jahr 2000 1,4 Milliarden Dollar an staatlichen Beihilfen von Städten, Landkreisen und Bundesstaaten dafür erhalten, dass der Konzern seine Verteil- und Datenzentren bei ihnen und nicht anderswo angesiedelt hat. Große Unternehmen sind auch immer erfolgreicher damit, ihre Produkte zu Preisen zu verkaufen, die weit über den Herstellungskosten liegen. Dieser Aufschlag war nach dem zweiten Weltkrieg bis 1980 relativ konstant und stieg seitdem von 18 auf 67 Prozent (2014). Gäbe es einen intakten Wettbewerb, würden es Unternehmen kaum schaffen, ihren Kunden solche Preise abzuverlangen.

Der wirtschaftlich-politische Komplex mit seinem Drehtür-Mechanismus bewirkt, dass Politiker und hochrangige Behördenmitarbeiter bei Wohlverhalten Anschlussjobs in der Wirtschaft finden. Bode nennt Beispiele von Politikern der CDU, der SPD, der FDP, der Grünen. Bei EU-Kommissaren beträgt die post-politische Lobyyisten-Karriere sogar 55 Prozent, bei EU-Abgeordneten nach der Europawahl 2009 ein Drittel. Lobbyisten sorgen dafür, dass Konzerne an den Gesetzestexten mitschreiben, die sie betreffen. VW verdoppelte mitten in der Diesel-Krise 2017 seinen Nettogewinn auf 11,4 Milliarden Euro. Niedersächsische Regierungserklärungen oder Pressemitteilungen wurden vorab vom Konzern freigegeben.

Ein eigenes Kapitel widmet Bode den Digitalkonzernen, deren Produkte zu Hass-Feeds beitragen und deren nicht überprüfbare Algorithmen den individualisierten Preis für Versicherungspolicen und andere Endkundenprodukte oder die Entscheidung über Kredite beeinflussen.

Auch die Wissenschaft ist kein Korrektiv: Konzerne kaufen Lehrstühle, damit die Forschung und deren Ergebnisse im Konzerninteresse verlaufen. Bode zitiert das Beispiel einer kritischen Veröffentlichung in einem Fachblatt über das möglicherweise krebserregende Ackergift Glyphosat. Kurz darauf trafen beim Journal 25 Glyphosat-freundliche Leserbriefe von Wissenschaftlern aus 14 Ländern ein, offenbar vom Hersteller Monsanto konzertiert. Ein halbes Jahr später berief das Magazin einen früheren Monsanto-Mitarbeiter in seinen Beirat, ein weiteres halbes Jahr später zog es die kritische Veröffentlichung wieder zurück. Einige der Leserbriefe tauchten außerdem in einer Auswertung des Bundesinstituts für Risikobewertung auf – dort dann bereits als Studien geadelt.

Corporate Social Responsibility, die ethischen Selbstverpflichtungen von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft, sind in Bodes Sicht PR-Maßnahmen und Feigenblätter, da bei Verstößen keine Haftung droht.

Was sich dagegen tun lässt? Thilo Bode zitiert Erfolge von Einzelpersonen und Organisationen, wie ein neues Gesetz in Frankreich, das es ermöglicht, französische Unternehmen und ihre Tochtergesellschaften anzuklagen, wenn sie Menschenrechte im Ausland verletzten. Den Verein Deutsche Umwelt-Hilfe, der die Dieselgate-Affäre aufgedeckt hat. Demonstrationen, die zum Scheitern des Freihandelsabkommens TTIP beitrugen, das Verbraucherrechte eingeschränkt hätte. “Wir brauchen noch viel mehr davon”, lautet sein letzter Satz.

“Die Diktatur der Konzerne” ist bei S. Fischer erschienen und kostet 18,50 Euro.

Wenn Sie demnächst  feststellen, dass ihr neues Auto 50 Prozent mehr Sprit verbraucht, als der Hersteller in seinen Verbrauchswerten angegeben hat – sagen Sie nicht, es hätte Sie niemand gewarnt.

Der Glasnost wegen:  Der Autor der Rezension arbeitet selbst für einen Konzern. Das Blog und dessen Inhalte stehen mit dieser Beschäftigung in keinem Zusammenhang und sind rein private Meinungsäußerungen.

 

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