Foto: Pixabay, CC0 Creative Commons

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Das Wort “Demokratie” bedeutet “Volksherrschaft”. Wobei  jeder im Volk weiß, dass er nicht herrscht. Die Köchin herrscht nicht, der Straßenbahnfahrer nicht und nicht die Zahnärztin. Mitunter grummelt es unter den Nicht-Herrschenden. Sie rufen dann “Wir sind das Volk.”

Das Grundgesetz sagt dazu: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.” Um gleich im Nachsatz zu präzisieren: “Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.”

Die dem Säulenheiligen Lenin zugeschriebene Forderung, jede Köchin müsse verstehen, den Staat zu regieren, ist nur als Aufmunterung zum Lernen plausibel – so direkt von der Küche aus ist es schwierig, den Euro zu retten oder Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu stiften. Und aus der Zahnarztpraxis heraus wäre es auch nicht leichter. Der Philosoph Karl Popper dagegen sieht Demokratie vor allem als Mittel, eine Regierung auf unblutige Weise wieder loszuwerden: Das Volk herrscht nicht selbst, sitzt aber regelmäßig über die Herrschenden zu Gericht und hebt oder senkt den Daumen.

Das funktioniert beim Mehrheitswahlsystem recht verlässlich. Dort kommt nur der Gewinner des Wahlkreises ins Parlament: The winner takes it all. Das Verhältniswahlsystem mit seinen Zweitstimmen führt in Deutschland dazu, dass im Bundestag nicht nur die Wahlkreisgewinner vertreten sind, sondern alle Parteien über fünf Prozent gemäß ihrem Stimmenanteil. Es kommt zu Koalitionsregierungen – was es wiederum den Wählern schwer macht, eine Regierung tatsächlich abzuwählen. Die größere Regierungspartei wechselt nach den nächsten Wahlen womöglich einfach den Koalitionspartner. Viele Wähler meinen dann, sie könnten wählen, wen sie wollten, bekommen würden sie trotzdem nur die alte, leicht modifizierte Regierung. Oder wie Zyniker meinen: Wenn Wahlen etwas ändern könnten, wären sie verboten.

Dass Deutschland vom Verhältnis- zum Mehrheitswahlsystem übergeht, ist nicht zu erwarten. Vielleicht wäre das auch nicht wünschenswert, weil auch das Mehrheitswahlrecht Nachteile hat.  Wenn sich Parteien in Wahlkreisen, in denen sie chancenlos sind, kaum engagieren, neigt dort der politische Platzhirsch zu lokalem Filz.

Alternative gegen Wahlverdrossenheit

Wie kommt der Wähler also in Deutschland wieder zu einer tatsächlichen Wahl? Eine Möglichkeit könnte die linke Sammlungsbewegung sein, wie sie von Sahra Wagenknecht und ihrem Ehemann, Politrentner Oskar Lafontaine, angedacht ist, aber nicht so recht in die Puschen kommt. Dafür müssten sich nennenswerte Teile der Parteien Die Linke, SPD und Bündnis 90 / Die Grünen auf eine gemeinsame Vision einigen: Wie wird die Digitalisierung sozialverträglich gestaltet, wie geht das Land mit seinen Alten um und wie trennt man das Recht auf Asyl von der Einwanderung?

Das scheint im Moment unwahrscheinlich, weil die Grünen im Zweifel auch mit den Schwarzen und den Gelben können. Und selbst wenn es nach der nächsten Wahl nicht für Jamaika reicht, gibt es ja als stille Reserve immer noch die SPD. Für die Landtagswahlen in Sachsen prognostizieren ihr Umfragen derzeit übrigens 9 Prozent, für Thüringen 10 Prozent. Und in Baden-Württemberg sieht’s mit 12 Prozent auch nicht besser aus.

Womöglich wäre ein Linksbündnis, das sich auf die soziale Frage besinnt, statt sich in Gender- und Offene-Grenzen-Fantasien zu ergehen, für viele Wähler eine Alternative. Prüftermin: die folgende Wahl.

 

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