Der Westen zahlt, der Osten nörgelt – so könnte bei flüchtigem Blick eine Bilanz der deutschen Einheit lauten. Hat der Westen tatsächlich die Einheit bezahlt? Stimme der DDR hat nachgerechnet.
Wie teuer ist “dem Westen” die deutsche Einheit gekommen? Die Antwort ist kompliziert, weil die Kosten für die Wiedervereinigung auf deren Erträge treffen. Steuerausgaben, Steuereinnahmen, Renten, Sozialleistungen, Länderfinanzausgleich, Aufbau Ost, gekaufte Produkte West – Wissenschaftler streiten sich darüber, welche Zahl am Ende steht.
Das Ifo-Institut zum Beispiel kommt für die Zeit von 1991–2013 auf einen Netto-Transfer aus dem Westen von 1,6 Billionen Euro – das entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Kanada. Oder 19 Jahresumsätzen von Siemens. Ein Forscher von der Universität Halle, Ulrich Blum, nimmt in seine Berechnung weitere Rückflusseffekte auf. Er ermittelt Transferzahlungen von 1,5 Billionen Euro von 1990–2014, aber auch auf Einnahmen von 1,3 Billionen Euro – zum Beispiel durch Ostdeutsche, die ihre Steuern im Westen zahlen, und durch westdeutsche Exporte in den Osten. Die Differenz beträgt bei ihm also nur 200 Milliarden Euro – in etwa das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands. Oder zweieinhalb Siemens-Jahresumsätze. Nach dieser Rechnung hätten die Ostdeutschen die Kosten der Einheit zum Großteil selbst bezahlt.
Unternehmen unternehmen, Steuerzahler zahlen
Was trotz aller Rechnerei nicht bezifferbar ist: “Der” Westen ist mehr als der westdeutsche Steuerzahler. Wie viel mehr Gewinn haben Siemens oder Bauknecht dadurch eingefahren, dass zum Beispiel der ostdeutsche Kühlschrankproduzent DKK in die Pleite gegangen wurde? Dass er in die Pleite geht, war ihnen und weiteren westdeutschen Herstellern immerhin einen gemeinsamen Brief an 5.000 Händler wert, in dem sie fälschlich behaupteten, DKK verwende ein gefährliches Kühlmittel. Wie viel langsamer ist dadurch der Personalabbau im Westen gelaufen? Wie viel Mehrumsatz haben westdeutsche Unternehmen mit Patenten und Kundenlisten aus dem Osten erzielt? Seriös lässt sich das kaum ermitteln.
Bezifferbar sind bekannt gewordene Fälle, wo westdeutsche Firmen ihren Gewinn aus der deutschen Einheit gezogen und die Risiken dabei der Gemeinschaft aufgebürdet haben. Ein Beispiel dafür ist die Privatisierung des DDR-Bankwesens. So hat die Berliner Bank die Stadtbank, eine Ostberliner Institution, gekauft – für 49 Millionen DM. Mit erworben hat sie Altkreditforderungen in Höhe von 11,5 Milliarden DM. Falls die Schuldner die Kredite an den neuen Eigentümer zurückzahlen – fein. Falls nicht: auch egal, weil die Kreditrückzahlung von der Treuhand und damit vom Steuerzahler garantiert worden ist. Das ist in etwa so, als würde man mit 1 Euro 200 Euro kaufen können. Womit sich auch die Überschrift dieses Artikels erklärt.
Also: Am besten, Sie folgen Brecht und gründen Ihr eigenes Kreditinstitut: Denn “Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“
Bundeszentrale für Politische Bildung über die unterschiedlichen Kostenberechnungen
Beutezug Ost, Film von Herbert Klar und Ulrich Stoll
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