70 Jahre deutscher Geschichte in altersweiser Betrachtung

L’art pour l’art? Nein, Kunst um der Kunst willen ist nicht das Prinzip des Stephan Heym (1913–2001). Er hat sich eingemischt mit seinen Romanen und Artikeln, hat Anstöße gegeben und Anstoß erregt – sogar über seinen Tod hinaus: Der Friedhof bestand darauf, den Grabstein entsprechend den eigenen Vorschriften und entgegen des testamentarischen Wunsches zu gestalten; schließlich wurde ein Kompromiss gefunden.

Heym, 1913 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Chemnitz geboren, flog 1931 wegen eines antimilitaristischen Gedichts vom Gymnasium und floh vor der Pogromstimmung nach Berlin, wo er studierte und nebenher Artikel für Zeitschriften schreib. Nach Hitlers Machtantritt konnte er über Tschechien in die USA entkommen. Zurück nach Deutschland kehrte Heym als Sergeant der US Army und Mitkämpfer der zweiten Front in der Normandie. Die weitere Vita: Mitglied im PEN Zentrum Ost wie West, Vorsitzender des Deutschen Schriftstellerverbandes, Bücher, Bücher, Bücher (Hostages, Fünf Tage im Juni, Ahasver, Der König David Bericht, Radek, …) Jüdischer Emigrant, Schriftsteller, US-Soldat, Zeitungsmacher, regimekritischer DDR-Bewohner, Weltbürger, eigenständiger Kopf und moralische Instanz – all das wird deutlich in einer Autobiographie, die in selbstdistanzierter Betrachtung ganz nebenbei 70 Jahre deutscher Geschichte umfasst. Erstmals 1988 erschienen, endet die Autobiographie vor der Wiedervereinigung. Heym war dann ja auch noch Alterspräsident des Deutschen Bundestages – ausgestattet mit einem Direktmandat vom Prenzlauer Berg (vor dessen Schwabisierung). Ein altersweises, beeindruckendes Werk. Gebraucht schon ab 1 Cent erhältlich.

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