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Der Schriftsteller Uwe Tellkamp äußert sich in einer Diskussion kritisch über die deutsche Flüchtlingspolitik. Prompt schnappen Medien nach seinen Waden. Solche Beissreflexe kommen  im Osten besonders schlecht an, weil sie ungute Erinnerungen wecken.

Was war los: Uwe Tellkamp ist ein 1968 in Dresden geborener Schriftsteller, für seinen Roman „Der Turm“ mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Auf der Podiumsdiskussion Streitbar: Wie frei sind wir mit unseren Meinungen? äußert er sich kritisch zur deutschen Flüchtlingspolitik. Offenbar im Eifer des Wortgefechts übertreibt er dabei: “Die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern, über 95 Prozent.”  Dieser eine Satz  gerät in die Turbo-Schleife medialer Erregung:  “Jemandem auf die Nase hauen und dann Aua rufen” (Spiegel), “Prekäre Trotz- und Bunkermentalität” (Deutschlandfunk),  “Rechtspopulistische Thesen” (Berliner Zeitung).

Tellkamps Verlag Suhrkamp distanziert sich von ihm. Und im Deutschlandfunk heißt es: “Das Verständnis für Tellkamps Tiraden und für sogenannte ‘berechtigte Sorgen der Bürger’, hinter denen sich nur dumpfe Ressentiments verbergen, ist auf jeden Fall der falsche Weg.”

Ist Kollege Tellkamp gegen den Weltfrieden?
Bei solchen Formulierungen kommen im Osten Erinnerungen auf. An Versammlungen, auf denen jemand wegen eines Gedichts an der Wandzeitung oder eines ähnlich schweren Vergehens beschuldigt wurde, gegen den Weltfrieden zu sein, dem Gegner in die Hände zu spielen, das Geschäft des Klassenfeinds zu besorgen. “Wer stimmt für den Ausschluss?” Es erforderte Überwindung, die Hand zur Gegenstimme oder wenigstens Stimmenthaltung auch dann oben zu lassen, wenn ein Funktionär damit begann, sich die Namen zu notieren.

Natürlich gab es im Fall Tellkamp auch reflektiertere Reaktionen, wie zum Beispiel im Deutschlandfunk-Kommentar “Ächtung der unliebsamen Meinung”. Das wäre vor zwei, drei Jahren noch anders gewesen. Dass Redaktionen wieder breiter denken, hat mit den Wahlerfolgen der AfD zu tun. Und mit den Reaktionen der Leser in den Kommentarspalten.

Und die Moral von der Geschicht’? Während die Abweichler von gestern berufliche Schwierigkeiten bekamen, veröffentlicht der Abweichler von heute weiterhin Bücher. Und das ist doch mal ein schönes Zeichen für Meinungsfreiheit.

PS: Haben Sie sich hier im Blog schon mit Ihrem persönlichen DDR-Rückblick zu Wort gemeldet? Tun Sie’s doch jetzt – wer, wenn nicht Sie?

Audio: Tellkamp liest aus “Der Turm”

 

One Response to Schlimmer Finger?

  1. Redaktion sagt:

    Tellkamp ist einer der Erstunterzeichner der ebenfalls am 15.3. publizierten “Gemeinsamen Erklärung” von Intellektuellen. Der Zwei-Sätze-Text konstatiert eine Beschädigung Deutschlands duch illegale Masseneinwanderung und solidarisiert sich mit friedlichen Demonstranten, die dafür eintreten, “dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.”
    https://www.erklaerung2018.de/

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